BVerfG: Hartz-IV-Sätze verfassungswidrig 

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene und Kinder als verfassungswidrig eingestuft. Die entsprechenden Vorschriften des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) gewährleisten den Betroffenen kein menschenwürdiges Existenzminimum, wie es das Grundgesetz vorsieht, so das Gericht. Bis zum 31. Dezember 2010 muss der Gesetzgeber Hartz IV neu regeln, bis dahin bleiben die jetzigen Vorschriften weiter anwendbar. (Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09).

Regelsatz für Kinder nicht kindgerecht ermittelt

Geklagt hatten drei Familien aus Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen. Sie und auch die gerichtlichen Vorinstanzen hatten bemängelt, dass kein eigener Bedarf für die Kinder errechnet wird, sondern er nur von denen der Erwachsenen pauschal abgeleitet wurde, obwohl Kinder häufiger neue Kleidung brauchen als Erwachsene und für sie Bildungsausgaben anfallen. Die Festlegung des Kinderregelsatzes beruhe auf keiner vertretbaren Methode zur Bestimmung des Existenzminimums eines Kindes, so die Karlsruher Richter.

Der Bedarf werde nicht nach den Bedürfnissen eines Kindes ermittelt, sondern lediglich durch Abschlag von 40 Prozent von der Regelleistung für Erwachsene festgesetzt. Eine solche "freihändige Setzung ohne empirische und methodische Fundierung" sei jedoch nicht zulässig. Insbesondere blieben die notwendigen Aufwendungen für Schulbücher, Schulhefte, Taschenrechner etc. unberücksichtigt, die zum existentiellen Bedarf eines Kindes gehören. Denn ohne Deckung dieser Kosten drohe hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen.

Auch Regelsätze für Erwachsene verfassungswidrig

Überraschenderweise bemängelte das Bundesverfassungsgericht nicht nur die Regelleistung für Kinder, sondern befand auch, dass der Regelsatz für Erwachsene nicht rechtmäßig ermittelt wird. Zwar sei das Statistikmodell, auf dessen Grundlage der Hartz-IV-Regelsatz berechnet wird, grundsätzlich nicht zu beanstanden. Jedoch ist von diesem Modell ohne sachliche Begründung abgewichen worden.

Die Richter des Ersten Senats bemängelten, dass bei Ausgabepositionen für nicht regelleistungsrelevante Güter und Dienstleistungen (bspw. Pelze, Segelflugzeuge) prozentuale Abschläge vorgenommen wurden, ohne dass feststand, ob die entsprechende Vergleichsgruppe in der zugrunde gelegten Statistik solche Ausgaben überhaupt getätigt hatte. Bei anderen Ausgabepositionen wurden Kürzungen vorgenommen, die in den Augen der Richter zwar vertretbar, in der Höhe jedoch empirisch nicht belegt waren (zum Beispiel Kürzung um 15 Prozent bei der Position Strom). Andere Ausgabepositionen, wie beispielsweise das Bildungswesen, blieben ohne Begründung völlig unberücksichtigt.

Höhere Hartz-IV-Sätze nicht zwingend

Das Gericht betonte, dass eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze nicht zwingend notwendig sei. Die Berechnungsmethode sei zwar rechtswidrig, die Höhe der Regelsätze aber nicht offensichtlich unzureichend. Bis zum Jahresende bleiben die derzeitigen Regeln noch in Kraft. Jedoch können Hartz-IV-Bezieher in Ausnahmefällen für einen besonderen Bedarf – etwa für Krankheitskosten, die von keiner Kasse gedeckt werden – einen Zusatzbetrag geltend machen.